Introtext

Hier berichte ich über meine Erfahrungen mit Baby auf Radtouren, das heißt im ersten Lebensjahr, genauer zwischen drittem und achtem Lebensmonat, also etwa bis zum Krabbelalter. Die Anregung zur Webseite kam übrigens von Chris on the bike persönlich, siehe Prolog Tour. Allgemeine Infos auf der Startseite ganz unten.

Karinafoto

Karinafoto
Karina (3 Monate) bei ihrem allerersten Ausflug im "Singletrailer", März 2014

Tour 1: Wettingen - Bern (8.-10.5. 2014, 180 km)

Im Mai 2014 unternehmen wir unsere erste Mehrtages-Tour mit Baby Karina, sie ist gerade vier Monate alt geworden. Kleinere Nachmittagsausfahrten mit dem Singletrailer haben wir schon unternommen und keine Probleme gehabt. Johann will unbedingt von zu Hause losfahren, so entscheiden wir uns für einen Teil der Nationalen Schweizer Veloroute Nr. 8, der Aare-Route über Aarau, Olten, Solothurn, Bern (ausführliche Infos incl. Karten und Höhenprofilen auf www.veloland.ch).

Gleichzeitig wollen wir zum erstenmal mit Baby im Zelt schlafen und testen, ob/wie das klappt für ggfs. eine zukünftige längere Tour.


8.5.2014: Wettingen - Aarau - Olten (55 km)

Frühmorgens hätten wir losfahren wollen, schließlich schaffen wir die ersten Meter um 16:50 h bei bestem Sonnenschein. Bald wird das Berner Oberland am Horizont sichtbar.

Erste Pause ist die Kantonshauptstadt Aarau nach 34 km. Wir setzen uns zum Abendessen vor eine kleine Crêperie. Gleich kommt die erste logistische Hürde: wo in der lebhaften Altstadt ein ruhiges Örtchen finden, um das Baby zu versorgen (wickeln, stillen)?
Gegen halb 10 sind Baby und Eltern endlich satt, und nach einem Proviant-Einkauf im Aarauer Bahnhof fahren wir weiter. Langsam meldet sich der Regen. Erst kurz vor Mitternacht finden wir eine geeignete Wiese und schlagen bei mittlerweile heftigem Regen überstürzt unser Zelt am Waldrand auf. Karina schläft tief und fest.

9.5.2014: Solothurn (58 km)

Die Nacht war sehr regenreich, so begrüßen uns gleich unzählige Schnecken, unter anderem im Gewinde der Trinkflasche - igitt.

Beim Zusammenpacken am Parkplatz vor der Zeltwiese (folgendes Foto) kommen wir mit einem freundlichen Anwohner ins Gespräch. Er weist uns auf die immer höfliche Schweizer Art darauf hin, dass Zelten schon ok ist, aber wir sollten vielleicht beim nächstenmal nicht quer über die Wiese gehen, weil das Gras schon so hoch ist, dass es jetzt nicht mehr von selber aufsteht und es somit Probleme beim Mähen gibt. Das leuchtet ein, wir haben tatsächlich eine kleine Schneise geschlagen und bitten um Entschuldigung für unsere (typisch deutsche?) Trampelei.
Um 17:20 h erreichen wir die sehenswerte Altstadt von Solothurn. Dort finden gerade die "Bike Days" statt, ständig flitzen E-Bike-Tester den steilen Altstadthügel hinauf. Das Festivalgelände besuchen wir aber nicht, da Johann befürchtet, sonst stundenlang "festzuhängen".
Nach dem Abendessen in einem Fischlokal (gleichzeitig Tierheim und Igel-Asyl) an der Aare fängt Karina plötzlich an zu schreien und lässt sich nur durch Herumtragen und Wippen in einer ganz bestimmten Frequenz beruhigen. Wir können nicht weiterfahren, bei jedem Versuch, sie in den Anhänger zu legen, brüllt sie wie am Spieß. Plan B kommt zum Zug: ich nehme sie ins Tragetuch und schiebe, in der richtigen Frequenz joggend, mein Rad. Es wird dunkel, so können wir hinter einer nahegelegenen Baumreihe unser Zelt aufschlagen. Das Baby ist in der Zwischenzeit schon eingeschlafen.

10.5.2014: Aarberg - Bern (67 km)

Ein herrlicher Tag begrüßt uns, in der Morgensonne trocknen wir unsere Sachen. Ab und zu kommt ein Traktor vorbei, man grüßt sich freundlich. Meine Bedenken, in der Schweiz wild zu zelten, erweisen sich auch nach der zweiten Nacht als unbegründet.

Es wird eine schöne Strecke bis Bern, gewürzt mit ein paar nicht allzu langen, aber heftigen Anstiegen. Bei einem davon fängt es im Anhänger immer an zu schreien, wenn ich zu langsam werde. Trete ich stärker in die Pedale, ist wieder Ruhe. Das Baby als persönlicher Trainer!

In Aarburg spricht uns Fernradler Jorge an, er kam vor einigen Wochen gerade zurück von 14'000 km Radeln in Süd- und Mittelamerika. Er verabschiedet sich - und kommt nach wenigen Minuten zurück mit einem bunten Armbändchen aus Mexiko für Karina und Schoki für uns.

Ein Malheur ist passiert:
Surreal-idyllisch in die Landschaft eingebettet liegt das Atomkraftwerk Mühleberg:
Für heute Abend und morgen ist sehr schlechtes Wetter angesagt, so beschließen wir, nur bis Bern zu fahren. Unten an der Aare in der coolen "Dampfzentrale" gibt es das Abschluss-Abendessen. Die Fahrt zurück zum Bundeshaus neben der Marzili-Standseilbahn ist kurz, aber extrem steil - mit Anhänger geht es definitiv an meine Grenze.
Noch ein Blick hinter dem Bundeshaus ins nebelverhangene Berner Oberland, ein Abstecher zur Astronomischen Uhr, und schon stehen wir am Bahnhof.
Züge nach Hause fahren fast halbstündlich. Gepäck Einladen ist etwas anstrengender mit zwei Rädern und Anhänger, wenn Einer das Baby halten muss, aber letztlich dank Babytrage auf dem Bauch kein Problem. Zufrieden kommen wir gegen 23 h in Wettingen an. Wir fühlen uns wie nach zwei Wochen Abenteuer-Urlaub. Karina lacht.